SGML-Grundlagen

Andreas Baumert

Monomedium

Was wir traditionell unter einem Dokument verstehen, beruht auf einer jahrtausendealten Verbindung vom Dokument mit der Technik ein Dokument zu erzeugen.

Ob auf Rinderhaut gepinselt, in Holz geritzt, Stein gemeißelt, oder auf Papier gedruckt: Das Dokument war unlösbar verbunden mit einem Medium, das die (Schrift-) Zeichen trug.

Mit diesem Verständnis des Dokuments kommen wir heute nicht mehr weit. Ich benutze viele Dokumente, die nicht auf Papier ausgegeben werden, Online-Dokumentationen etwa. Mein Rechner empfängt elektronische Post, die oft gelesen aber so gut wie niemals auf Papier ausgedruckt wird. Natürlich sind die einzelnen "messages" auch dann Dokumente, wenn sie nur elektronisch verfügbar sind. Immerhin könnten sie noch gedruckt werden, wenn es auf die papierene Repräsentation ankäme.

Andere Dokumente aber können überhaupt nicht mehr ausgedruckt werden. Wenn man die einzelnen Knoten eines Hypertextes ausdruckt, erhält man ein Dokument anderen Inhalts, die papierene Variante unterscheidet sich erheblich vom Hypertext und seinen großzügigen Möglichkeiten der Navigation im Textraum: vorwärts, rückwärts, Ebenenwechsel - "Blättern" auf Knopfdruck.

Sind einzelne Knoten dieses Hypertextes Videosequenzen oder akustische Informationen, haben Drucker und Papier dann endgültig verloren. Wir erhalten ein multimediales Dokument, das sich der Ausgabe auf nur einem Medium verweigert.

Viele Dokumente sind heute also gelöst vom Ausgabemedium, es sind virtuelle Dokumente, die erst durch den ordnenden Zugriff eines Anwendungsprogramms auf dem Bildschirm, im Lautsprecher oder auf Papier real werden.

Forderungen

Industrie und Verwaltung stellen Forderungen an eine wirtschaftliche Dokumentenverarbeitung, die das Dokument vom medialen Engpaß Papier entkoppelt und es aus der Abhängigkeit von der heute genutzten Technik wie auch der von den EDV-Herstellern befreit:

Gegenwärtig stehen zwei Normen zur Verfügung, die diesen Forderungen genügen:

Anwender und Hersteller scheinen SGML den Vorzug zu geben. Zuerst favorisierte das amerikanische Verteidigungsministerium SGML als Norm im Bereich der Dokumentation. Andere Behörden und die Industrie zogen nach, schließlich wurde SGML auch im Verlagswesen anerkannt.

SGML wird mittlerweile von vielen Anwendern eingesetzt, die sich womöglich nicht darüber im klaren sind, daß sie diese Norm anwenden: In ihr ist HTML, die HyperText Markup Language definiert.

Mit HTML werden die sogenannten Web pages ausgezeichnet. Damit ist eine ganz besonders benutzerfreundliche Komponente des Internet angesprochen: das World Wide Web. Die etwa 50 Millionen Nutzer des Internet haben darüber Zugang zu Hypertext-Dokumenten, die eine neue Welt internationaler Kommunikation erschließen.

Niemand kann heute voraussagen, wie sich die Normierung in Zukunft entwickeln wird, ob in zwanzig Jahren noch SGML benutzt werden wird oder nicht. Eines ist aber gewiß: Dokumente, die heute auf der Basis dieser Norm erstellt werden, sind auch dann noch von der Informationstechnik zu verarbeiten. Das ist ein Grund, sich mit SGML etwas näher zu beschäftigen:

Letzte Änderung: 16AUG12
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Sonderdruck für die Veranstaltung „Neue Medien“ der tekom-Regionalgruppe Rhein-Main,
28.-29. Oktober 1995 in Bad König Momart / Odenwald.

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